Perspektiven aus Barcelona
Die diesjährige NetWare 2025 – das übergeordnete Dachsymposium, an dem zahlreiche Teilkonferenzen beteiligt waren – bot Prof. Dr. Sergei Sawitzki und Timm Bostelmann eine besondere Gelegenheit zum Blick über den Tellerrand. Ein Großteil der besuchten Sessions fand im Rahmen von NetWare statt; CENICS war diejenige Teilkonferenz, in der der eigene wissenschaftliche Beitrag eingereicht wurde. Diese breite fachliche Aufstellung erwies sich als große Stärke: Während das Programm intensiv war, entstanden viele der wertvollsten Erkenntnisse außerhalb der offiziellen Programmpunkte – etwa in spontanen Gesprächen nach den Sessions. Gerade diese informellen Momente zeigten, wie wichtig persönliches Networking für den fachlichen Austausch geworden ist.
Ein Schwerpunkt lag auf dem Thema Cyber Resilience – also der Fähigkeit von IT-Systemen, auch bei Angriffen oder Störungen weiter funktionsfähig zu bleiben. Im Panel wurde deutlich, dass klassische Schutzmethoden, die lange auf festen „Grenzen“ basierten (z. B. Firewalls rund um ein Unternehmensnetzwerk), heute nicht mehr ausreichen. Moderne Arbeitsweisen verändern die IT-Landschaft grundlegend:
Cloud-Dienste laufen oft außerhalb der eigenen Infrastruktur, Homeoffice und mobile Geräte verbinden sich von überall mit dem Netzwerk, vernetzte Maschinen (Industrial Internet of Things) erzeugen große Datenmengen und sind oftmals schwer abzusichern.
Dadurch verschwimmen die Grenzen eines geschützten Systems – und neue Sicherheitsstrategien sind nötig, um Systeme widerstandsfähig gegenüber Angriffen zu machen, selbst wenn einzelne Teile kompromittiert werden. Ein BWL-orientierter Vortrag machte zudem deutlich: IT-Sicherheit gewinnt im Management nur dann an Gewicht, wenn sie anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen nachvollziehbar gemacht wird. Diese Erkenntnis – und der Brückenschlag zwischen dem technisch geprägten Sicherheitsdenken und dem wirtschaftlichen Blick auf Risiken und Investitionen – zeigte eindrücklich, wie relevant interdisziplinäre Perspektiven geworden sind. Bostelmann: "Genau darin liegt ein zentraler Mehrwert solcher Konferenzen. In diesem Fall sprechen Techniker, Strategen und Entscheider nicht über unterschiedliche Themen – sie betrachten dieselben Fragen - nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln."
Eigener Beitrag: Hardwarebasierte Fehlerkorrektur
Prof. Sawitzki stellte seine wissenschaftliche Ausarbeitung zur Implementierung von Forward Error Correction (FEC) direkt in spezialisierter Hardware vor und stieß damit auf großes Interesse. Der Grund dafür: Softwarebasierte Lösungen geraten angesichts hoher Übertragungsraten mobiler, energieeffizienter Geräte zunehmend an ihre Grenzen. FEC ist ein Verfahren, mit dem Daten bereits während der Übertragung automatisch überprüft und Fehler korrigiert werden, ohne dass sie erneut gesendet werden müssen. In der Praxis bedeutet das: Auch wenn Störungen auftreten oder Informationen verloren gehen, können die Daten am Ziel korrekt wiederhergestellt werden.
Die Arbeit von Sawitzki zeigte, dass diese Fehlerkorrektur besonders bei mobilen, energieeffizienten Geräten wichtig ist, die hohe Datenraten verarbeiten müssen. Häufig werden bei verschiedenen Kommunikationsstandars ähnliche Kodierungsververfahren verwendet. Die Lösung: Entsprechende Dekoder nicht einzeln zu implementieren sonder adaptierbar zu gestalten, um Chipfläche und Energie zu sparen. Dadurch können mobile Geräte schneller, effizienter und zuverlässiger arbeiten.
Der Beitrag setzte damit einen technisch fokussierten Kontrapunkt zu vielen anderen Sessions – und verdeutlichte die fachliche Vielfalt der Konferenz. Mit dem Best Paper Award ausgezeichnet, unterstreicht die Arbeit nicht nur ihre Relevanz, sondern zeigt auch, welchen Mehrwert aktive Konferenzteilnahme hat: Sichtbarkeit entsteht nicht allein durch Veröffentlichungen, sondern vor allem durch den Austausch mit der Community.
Konferenzen als Lernorte – auch außerhalb des Programms
Während sich Konferenzen seit Corona verändert haben, bleibt die physische Präsenz vor Ort aus Sicht der beiden Teilnehmer unverzichtbar. Rollen wie Moderator:in oder Panelist eröffnen Zugang zu neuen Themenfeldern und ermöglichen Gespräche, die weit über Vortragsinhalte hinausgehen. Die Erfahrung zeigte: Wer die Chance erhält, eine aktive Rolle zu übernehmen sollte sie unbedingt nutzen.
Besonders eindrücklich war für Timm Bostelmann die Diskussionen zu internationalen Gesundheitssystemen. In Ländern ohne einheitliche Krankenkassenstruktur wie wir sie aus Deutschland kennen – etwa den USA oder den Vereinigten Arabischen Emiraten – stellt die Digitalisierung von Patientenakten eine zusätzliche enorme Herausforderung und Komplexität dar, die erst so ins Bewusstsein gerückt wird. Diese Einblicke verdeutlichten, wie unterschiedlich Rahmenbedingungen weltweit sein können, und zeigten, wie wertvoll der Blick über das eigene Fachgebiet hinaus ist, um die eigene Arbeit einzuordnen.
Auch wenn technische Anteile an Fachtagungen wie der CENICS teilweise zurückgehen, wird die interdisziplinäre Perspektive immer wertvoller. Die Konferenz lebt von genau diesem Austausch – und davon profitiert langfristig auch die Sichtbarkeit und Vernetzung einer Hochschule.
Tipps für zukünftige Teilnehmende
Zum Abschluss gaben Prof. Dr. Sergei Sawitzki und Timm Bostelmann noch einen Einblick, was sie Studierenden und Forschenden empfehlen würden, die zum ersten Mal an einer Konferenz teilnehmen. Für Sawitzki steht fest: "Eine gute Vorbereitung beginnt bereits Wochen vorher: Das Programm sollte sorgfältig studiert werden – nicht nur, um interessante Sessions zu markieren, sondern auch, um mögliche Gesprächspartner oder potenzielle Kooperationspartner frühzeitig zu identifizieren." Bostelmann ergänzt: "Wer die Möglichkeit hat, im Konferenzhotel zu übernachten, sollte vor allem das Frühstück nicht unterschätzen – oft entstehen gerade dort die Gespräche, die später zu fachlichem Austausch oder gemeinsamen Projekten führen, also das eigentliche Networking"
Auch ein Rat zur Auswahl der passenden Konferenz wurde geteilt: Besonders hilfreich sind Empfehlungen erfahrener Kolleginnen und Kollegen sowie Mailinglisten innerhalb der jeweiligen Fachcommunity. Fachlich sehr spezialisierte Konferenzen können zwar tiefer ins Detail gehen, doch auch breiter aufgestellte Veranstaltungen – wie die CENICS – bieten einen großen Mehrwert, wenn man bereit ist, über das eigene Gebiet hinauszublicken. Nicht die Anzahl der Vorträge entscheidet über den Nutzen einer Teilnahme, sondern die Haltung, mit der man dorthin reist.
Ein besonderer Dank der beiden gilt außerdem dem Wedeler Hochschulbund, der die Teilnahme überhaupt erst ermöglicht und finanziert hat. Solche Förderungen ermöglichen es, Forschung sichtbar zu machen, neue Kontakte zu knüpfen – und Perspektiven zu gewinnen, die über den Alltag im Labor oder Hörsaal hinausgehen.